Hüttigweiler.
Grimmig schaut Thomas Reinshagen unter seinem Kopfverband
hervor. Der 32-jährige Ringer des ASV 08 Hüttigweiler kann
es gar nicht erwarten, erneut auf seinen Kontrahenten
Christoph Gall aus Heusweiler loszugehen. Noch trennt die
Hand des Kampfrichters die beiden. Sein Pfiff beendet die
Verletzungs-Auszeit. Durch eine ruppige Abwehr-Aktion seines
Gegners ist Reinshagens Augenbraue schwer aufgeplatzt. Ein
Grund mehr für den ASV-Athleten, ordentlich Vollgas zu
geben.
Hüttigweiler führt 10,5:8,5. Reinshagen führt im
zweitletzten Kampf nach einem Durchdreher 2:0. Beide
Athleten treten zwar in der Klasse bis 84 Kilo (griechisch-römisch)
an, sind aber wesentlich leichter. AC-Ringer Gall ist außerdem
ein gutes Stück kleiner und ringt äußerst passiv. Immer
wieder windet er sich aus Reinshagens Griffen heraus, hängt
gleichzeitig an ihm wie eine Klette. Dabei würde der
Sportler aus Hüttigweiler seinen Lokalrivalen doch so gerne
vor heimischem Publikum "fliegen lassen". Wut
staut sich in ihm auf. Das kann man richtig sehen. Als würde
er gleich explodieren. Zwei Mal wird Gall in die Bodenlage
geschickt, zwei Mal hebt Reinshagen aus, zwei Mal arbeitet
Gall unerlaubt mit den Beinen, zwei Mal erhält Reinshagen
zwei Punkte. Einen Überwurf hat der Gast-Ringer so aber
verhindert. Das Publikum ist genauso sauer wie Reinshagen
und bringt dies auch lautstark zum Ausdruck. Endstand: 6:0.
17:8,5 für Hüttigweiler.
Das Duell im Weltergewicht (griechisch-römisch) fällt
aus, weil Heusweilers Jens Wagner nicht antritt. Vasili
Vozny sichert den Gastgebern kampflos vier Punkte. Jetzt ist
Reinshagens älterer Bruder Frank dran. Der Trainer des ASV
geht zum letzten Kampf des Abends auf die Matte. Der 33-Jährige
wirkt ganz anders als sein Bruder, viel ruhiger und bedächtiger.
Nach dem Kampf erzählt er: "Stimmt schon. Mein Bruder
ist ein viel impulsiverer und aggressiverer Typ als ich -
sowohl vom Charakter her als auch von seiner Art zu ringen.
Er macht viel mehr mit Schnellkraft, reagiert oft eher
automatisch. Ich ringe mehr mit Köpfchen, denke vorher darüber
nach, welche Techniken ich anwende." Und noch einen
Unterschied gibt es: "Thomas ist mehr ein Einzeltyp,
ein guter Turnier-Ringer. Er wurde zum Beispiel 1990
Junioren-Europameister. Na gut, Ringen ist ja im Grunde auch
kein Mannschafts-Sport. Ich kann mich aber bei Mannschafts-Kämpfen
einfach besser motivieren, bin bei Turnieren weniger
erfolgreich."
Zurück zum Kampf (74 Kilo Freistil): Zunächst belauern
sich die beiden. Dann schnappt Doll nach Reinshagens Bein,
erwischt es aber nicht. "Nochmal!", ruft ihm sein
Mannschafts-Kollege Vicktor Efteni aus der Ecke des AC
Heusweiler zu. Der kleine Freistil-Spezialist hat seinen
Kampf gegen Torsten Dauster wie meistens technisch überlegen
gewonnen (16:0). Jetzt übernimmt allerdings Frank
Reinshagen die Initiative. Er packt Doll am rechten
Unterschenkel und hält diesen vor seinem Brustkorb fest.
Doll hüpft rum und stützt sich an seinem Gegner ab. Mit
Erfolg! Er kann sich befreien. Bei einer zweiten solchen
Aktion schafft es Reinshagen fast. "Dann hat der
Kampfrichter leider abgepfiffen, weil Blut auf der Matte
war. Ich hatte mich am Kinn verletzt, ohne es zu
bemerken", erzählt er später. Und nach kurzer
Verletzungspause hat Frank dann doch etwas mit seinem Bruder
Thomas gemeinsam: einen frischen weißen Kopfverband. Nach
sechs Minuten steht es immer noch 0:0. Verlängerung ist
angesagt. Reinshagen greift an, Doll kontert am Boden und
schafft einen Dreher. 2:0 und Schluss. "Das war natürlich
ärgerlich", sagt Reinshagen, lobt aber auch fair
seinen Gegner: "Er hat sehr gut abgewehrt und aus der
Defensive heraus entscheidend gepunktet. Das muss man ihm
wirklich lassen. Er ist eben auch elf Jahre jünger als ich
und dementsprechend fit." Trotzdem gewinnt Hüttigweiler
letztlich klar mit 17:10,5, und die ungleichen Reinshagen-Brüder
haben wieder etwas gemeinsam: Grund zum Feiern.
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